Gotthold Balensiefen (rechts) und Moderator Michael Hermann im Dialog. (Foto: Wolfgang Heyer) SPD-Europa-Kandidat Gotthold Balensiefen präsentiert sich vor rund 30 Zuhörern in Gaisbeuren
Von Wolfgang Heyer
Gaisbeuren / sz Die SPD im Regierungsbezirk Südwürttemberg hat den Biberacher Hochschulprofessor Gotthold Balensiefen als Europawahl-Kandidaten auserkoren. Am Dienstagabend stellte der 1958 in Tübingen geborene Balensiefen sich vor rund 30 Zuhörern im Gasthaus Adler in Gaisbeuren vor.
Mit festem Stand und leicht angewinkelten Armen beginnt er, seinen Lebenslauf vorzutragen, der vom Jura- und Philosophie-Studium, über die Stelle als Justiziar im Umweltbundesamt Berlin, bis hin zur aktuellen Hochschulprofessur in Biberach reicht. Die Zuhörer erfahren aber auch, dass sein Nachname, der im oberschwäbischen Raum sehr auffällig sei, aus dem Westfälischen stamme, wo es sogar einen Ort namens Balensiefen gebe. „Bauen und Umwelt, das sind meine Themen“, erklärt der SPD-Kandidat verständlich und stellt sich anschließend selbst die Frage, warum Politik? Für ihn leicht zu beantworten, schließlich sei es wichtig, das Gemeinwesen zu begleiten und hier und da Flagge zu bekennen: „Die Politik besteht nicht nur aus Profipolitikern, sondern auch aus Bürgern, die ihren Sachverstand in die Gesellschaft mit einbringen. Es sollte eine wechselseitige Befruchtung zwischen Politik und Bevölkerung geben.“ Auch in Europa, das vielerorts kritisch betrachtet würde. Daher folgt er dem Slogan des SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz und meint: „Wir müssen Europa neu denken.“
Seine Aussichten, in das Europäische Parlament gewählt zu werden, schätzt Balensiefen selbst eher gering ein. Seine Motivation für den Wahlkampf zieht er allerdings aus der Freude an der Sache. „Es macht Spaß und ich komme viel herum. Und Südwürttemberg ist ein wunderschönes Zuhause.“
Im anschließenden Austausch mit Moderator Michael Hermann nimmt Balensiefen Stellung zu unterschiedlichsten Themengebieten, beispielsweise dem demografischen Wandel. Er berichtet von einer homogenen Bevölkerungsstruktur in Baden-Württemberg, warnt aber auch vor dem Rückgang der Erwerbstätigen in hiesigen Gefilden, der bereits in zwei Jahren erwartet werden könne. „In Deutschland gibt es insgesamt nur halb so viel 20-Jährige wie 40-Jährige. Die Region muss für junge Menschen also möglichst attraktiv bleiben.“
Ausweitung der Lkw-Maut
Balensiefen fordert dafür auch den Ausbau hochfrequentierter Bundesstraßen und führt als drängendes Beispiel die Verbindung von Biberach nach Memmingen an. Zur Finanzierung schlägt er die Ausweitung der Lkw-Maut vor. „Die Infrastruktur muss einfach stimmen. Es kann nicht sein, dass ich mit der Bahn von Tübingen nach Biberach zwei Stunden und 40 Minuten benötige. Da bin ich mit dem Fahrrad ja fast schon schneller“, lockert er die Zuhörerschaft auf.
In der Folge betont der SPD-Kandidat die hohe Attraktivität Europas und bezeichnet einen möglichen Türkei-Beitritt zur EU als Gretchenfragen. Die Türkei habe ein Demokratie-Problem, Auseinandersetzungen mit Zypern und Irritationen im Umgang mit Minderheiten im eigenen Land. „Daher plädiere ich für ein vorsichtiges Vorgehen, das klare Rahmenbedingungen festlegt.“
Die abschließende Fragerunde nutzen sowohl SPD-Ortsvereinsvorsitzende Annette Uhlenbrock als auch SPD-Kreisvorstand Peter Didszun, um sich über die Infrastrukturentscheidungen der EU vor Ort zu informieren. Dazu Balensiefen: „Die EU hat begrenzte Zuständigkeiten. Aber eine Strukturpolitik durch Fonds, also Geldtöpfe, ist möglich und das führt zu Anschubfinanzierungen. Aus dem Straßenbau hält sich die EU aber sehr zurück.“ Und auf die Frage von der Bad Waldseer Stadträtin Rita König, wie die EU dem Konflikt in der Ukraine gegenüber stehe, antwortete der Sozialdemokrat: „Hier muss Europa als Brücke fungieren. Die Kontakte mit Russland sollten wir nicht vorschnell abreißen lassen und die Beziehungen zur Ukraine weiter ausbauen.“